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Joseph Selleny (1824 Wien - 1875 ebd.), Der Eisenhammer im Mühlental zu Amalfi, 1856, Aquarell

Joseph Selleny, dieser aus Wien stammende Abenteurer in Sachen Kunst - er umrundete als Mitglied einer transatlantischen Expedition zwischen 1857 bis 1859 mit der Fregatte Novara die Erde und hielt die Eindrücke dieser Reise in damals noch unbekannte Welten in zahlreichen Aquarellen und Skizzen fest - dieser unermüdliche Zeichner hatte zuvor das Land besucht, in dem die Zitronen blühen. Nach seinem Studium an der Wiener Akademie bei Franz Steinfeld und Thomas Ender ermöglichte ihm der Rompreis der Akademie, den er 1847 erhalten hatte, 1854 endlich eine Studienreise nach Rom und Neapel, die ihn auch nach Amalfi führte. Dort ist es Carl Blechen gewesen, dessen 1829 entstandene, pittoreske Ansichten des Mühlentals bis heute unsere Vorstellung von diesem Ort prägen.  Auch der Berliner Architekt Karl Friedrich Schinkel hatte es 1824 bereits eindrücklich beschrieben: "Von der Kirche gingen wir wieder auf den Platz herunter u verfolgten die Hauptstraße, welche gegen die Schlucht hinaufführt. Diese nimt bald den sonderbarsten Character an; sie schließt sich man geht durch Bögen und Gewölbe über denen Wege von einer Seite des Tales zur gegenüberliegenden führen, dann steigt man durch Treppen weiter. An den Seiten treten oft Felsen heraus, darinnen sieht man mehre grün bewachsene Hölen in welchen grosse Wassertröge ausgehauen sind und klares Gebirgswasser stürzt dahinein, an welchen die Weiber der Stadt immer zahlreich waschen. Mühlenwerke und dazugehörige Wasserleitungen alles wie in der Schweiz mit dem üppigsten Kraut bewachsen hängen unter dem Felsen der sich höhlenartig wölbt oder drängen sich in die Winkel hinein. Der Weg steigt stufenartig neben mit Mauern eingefaßten Flußbetten an, in denen oft Wasserfälle schon rauschen. Die Flußbetten sind oft mit breit gezogenen Weinlauben bedeckt u allerlei schöne Sitze und Gärtchen daneben angebracht; so geht es fort so daß man nicht zu sich kommt vor der Menge mahlerischer Punkte. Am letzten Winkel scheint das Thal mit einem grossen viele Stockwerke hohen Fabrikgebäude geschlossen zu seyn worinn Papir gemacht wird, aber es wendet sich u führt zu sehr mahlerischen Eisenhämmern, die wir wegen der Kürze der Zeit nicht mehr erreichen konnten."  Selleny indes zeichnete, was Schinkel verwehrt blieb zu sehen: Eine erste Ansicht des bereits 1803 stillgelegten Eisenhammers entstand am 13. Mai 1854,  bevor Selleny im Oktober 1856 noch einmal nach Amalfi zurückkehrte, als unser Aquarell entstand. Es zeigt den Blick in das enge Tal mit den von Büschen und Bäumen gesäumten Ufern eines Bachs, über den sich eine Brücke spannt; dahinter türmt sich das Gebirge allseitig auf, die verlassene Fabrik gleichsam umschließend - Sellenys Aquarell blieb zwar unvollendet, doch illustriert es in seiner sprühenden Farbigkeit, die noch den Einfluss seines Lehrers Ender erkennen lässt,  anschaulich die Eindrücke, die Schinkel geschildert hat. (Text: Peter Prange)

Sachgebiete: Aquarelle, Italien, Kunstgeschichte, Landeskunde, Technik

20.09.2022 - 12:46

6500,- EUR

H. W. Fichter Kunsthandel

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Gustav Seelos (1831 Bozen - 1911 Innsbruck-Wilten), Bau der Brennerbahnlinie in der Eisackschlucht, 1864, Aquarell

Nüchtern berechnender Ingenieur und zugleich für das Wahre, Schöne, Gute in der Malerei empfindsam? Was sich zunächst nach zwei Gegenpolen anhört, beruht teils auf übereinstimmenden Gesetzen und Grundlagen. So ist doch schon das Phänomen der Perspektive festen physikalischen Gegebenheiten unterworfen und beschäftigte seit Urzeiten Künstler, die ihre Umwelt räumlich abbilden wollten.  Der Maler Gustav Seelos scheint ebenso talentiert gewesen zu sein, das Schöne mit dem zu Berechnenden zu verbinden. Nach Abschluss der schulischen Ausbildung in seiner Geburtsstadt Bozen belegte er 1849 in München einen Mathematikkurs und ging schließlich an das k. k. Polytechnische Institut in Wien, das nach den Revolutionsjahren 1848/49 einer strengen militärischen Leitung unterlag. Der Malkunst widmete sich Seelos vermutlich erstmals während einer Italienreise, die er 1853 mit seinen Brüdern sowie den Malern Josef Selleny und Jan (Johann) Nowopacký unternahm.  Seinen Verdienst fand Gustav Seelos, der jüngste im Bunde, nicht wie seine Brüder Gottfried (1829-1900) und Ignaz (1827-1902) in der Malerei sondern zunächst im technischen Bereich. Als Oberingenieur bei der k. k. Südlichen Staatsbahn beaufsichtigte er den Streckenbau der Eisenbahn durch seine Heimat Südtirol. Die wichtige Nord-Süd-Verbindung der Brennerbahn erhielt ab 1864 den entscheidenen Streckenabschnitt zwischen Innsbruck und Bozen, mit dem die schon vorhandenen Gleise im Süden bis Verona geführt werden sollten. Gustav Seelos datierte unser Landschaftsaquarell auf 1864 und zeigt also den Beginn der schwierigen Arbeiten in der Schlucht des Eisacktals. Am Ufer des klaren Gebirgsflusses sind etliche Arbeiter auf der Straße zu sehen. Während man an mancher Stelle Müßiggang vermutet, wird auf den zweiten Blick deutlich, dass hier schwere Arbeit geleistet wird. An der mächtig aufragenden Felswand ist erst ein kleines, vom Maler dunkel gefärbtes Teilstück zu sehen, wo einer der ersten Tunnel der Bahnlinie entstehen soll. Alle Hände haben mit Brechen und Abtransport des schweren Porphyrgesteins zu tun. Doch wirkt die Szene des Oberingenieurs Seelos tatsächlich wie ein sanftes Stimmungsbild eines warmen Sommertages. Wohl zeigt der Beamte im Dienst der Bahngesellschaft hier den Fleiß der Arbeiter und wohl liegt seinem Bild der dokumentarische Charakter des technischen Beobachters inne, wonach den Auftraggebern vielleicht überhaupt der Sinn stand: Die genaue Verortung ist durch die technische Anlage des Sägewerks mit Staudamm und die genau skizzierte Felskontur gewährleistet, der Baufortschritt ist durch Angabe der Streckenführung und des Tunneleinbruchs genau zu erkennen. Und doch hat das Aquarell den romantischen Charme eines Landschaftsbildes, das durch die rastende Magd in Tracht ebenso besticht wie die pittoresken Formationen des Gebirges. So mag man in dem Künstler, der ein technisches und ein ästhetisches Auge zugleich besaß, also den idealen Maler für diese Szene gefunden haben. Man erlaubt sich ein Schmunzeln, wenn man zuletzt erfährt, dass Gustav Seelos‘ Tätigkeit bei der Südbahngesellschaft tatsächlich auch die Mitwirkung an Alben mit Ansichten der Streckenführung und Darstellungen des Bahnbetriebes umfasste, die anlässlich feierlicher Veranstaltungen wie etwa dem Abschluss einer Bauphase ausgegeben wurden. (Text: Benedikt Ockenfels)

Sachgebiete: Aquarelle, Kunstgeschichte, Landeskunde, Malerei, Verkehrswesen

20.09.2022 - 12:44

4800,- EUR

H. W. Fichter Kunsthandel