Schaufenster


H. W. Fichter Kunsthandel

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Carl Friedrich Grünwald (1791 Dresden - 1849 Königgrätz), Parthie aus dem Loschwitzer Grund, um 1820, Federzeichnung

"Eine alte Mühle mitten im Thale, von hervortretenden und wieder schwindenden Bergsatteln umlagert, führte uns zu einem der schönsten Plätze, würdig, da zu weilen und uns in den wohlthätigen Stralen des grossen Weltenlichts zu sonnen. Unbefangen und schuldlos spielte ein zweyjähriger Knabe, sich und dem alleinwachenden Auge sorgender Vorsicht überlassen, an der Quelle, die wenig Schritte davon das Maschinenwerk in Bewegung sezte, das den Fleiss des ehrlichen Müllers auf eine ergiebige Weise belohnte. Wir traten ein in dieses Heiligthum der Natur, wo Unschuld und Freude sich einen Altar erbaut zu haben schienen, auf dessen Stufen wir, von ihrer Priesterin mit einem herzlichen Handdruck begrüsst und eingeladen, opfern sollten." So heißt es etwas frömmelnd in den Pitoreskische[n] Reisen durch Sachsen des Johann Jakob Brückner anlässlich eines Besuchs der alten Hänselmühle im Loschwitzer Grund.  Brückners Bericht ist eine Illustration dieser Partie im Loschwitzer Grund von Christian August Günther beigefügt, der Carl Friedrich Grünwalds Ansicht weitgehend entspricht. Grünwalds vom gleichen Standpunkt aufgenommene, monochrome Aussicht zeigt das lebhafte Treiben vor der im Tal an dem Loschwitzbach gelegenen Schneidemühle der Familie Hänsel - Baumstämme liegen zur Weiterverarbeitung bereit, die Wege von Ausflüglern und Waldarbeitern kreuzen sich und Kinder spielen mit dort weidenden Ziegen. Es ist ein stimmungsvolles Bild wild romantischen Charakters voller landschaftlicher Wandlungen - "ein endloser Wechsel anziehender und das Auge fesselnder Gruppen und Gestalten der Bäume" und der "überzustürzen drohenden Felsenmassen, der wunderlichen Krümmungen des Bachs, der das Thal bewässert" bemerkt Brückner.  Die verschiedenen Gründe - enge und tief eingeschnittene Täler mit reißenden Bächen und Wasserfällen - in der Umgebung von Dresden waren voller pittoresker Einfälle, die um 1800 erste Touristen und auch zahlreiche Künstler anlockten. Einer der ersten, der sich von der Wildnis der dortigen Natur angezogen fühlte, war der 1764 als Kupferstecher an die neugegründete Akademie berufene Schweizer Adrian Zingg, der bereits in den 1780er Jahren die Umgebung Dresdens zusammen mit seinen Schülern zeichnend erwanderte. Auf ihn geht die Bezeichnung Sächsische Schweiz für das Elbsandsteingebirge zurück, das ihn an die Landschaft seiner Heimat erinnerte, und er war mit seinen zumeist nach der Natur gezeichneten, großformatigen Ansichten aus der Sächsischen Schweiz in Sepia und Tusche ausgesprochen erfolgreich; in dieser Tradition steht auch die Ansicht von Grünwald, der vor 1810 zeitweise Zinggs Schüler war und sich an den jährlichen Akademieausstellungen nach 1810 wiederholt beteiligte. 1814 hatte er "eine Parthie aus Loschwitz" eingereicht  - es ist anzunehmen, dass es sich dabei um vorliegendes Blatt handelt. Man kann sich gut vorstellen, dass Grünwald auf einer seiner Wanderungen in die Umgebung von Dresden den lieblich-stimmungsvollen Ort zeichnete - dieses unmittelbare Erlebnis sollte auch der damals gleichsam programmatische Zusatz "gezeichnet nach der Natur" bezeugen. (Text: Peter Prange)

Sachgebiete: Handzeichnungen, Kunstgeschichte, Landeskunde, Ortsansichten, Sachsen

7500,- EUR
Differenzbesteuert

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Georg Philipp Rugendas (1666 Augsburg - 1742 ebd.), Neun Soldatenstudien, um 1700, Bleistift

Neun Soldaten präsentiert der Augsburger Georg Philipp Rugendas in verschiedenen Posen und bei mannigfaltigen Verrichtungen, auf dem Blatt sorgfältig nebeneinander angeordnet in zwei Reihen zu je fünf und vier Soldaten. Sie stehen breitbeinig, lehnen sich an eine Mauer oder haben ihre Gewehre geschultert. Es sind zarte Graphitstudien von bemerkenswerter Präsenz, die ihre Bedeutung aus der Tatsache gewinnen, dass es sich bei ihnen um Studien nach der Natur handelt. Rugendas, der in Augsburg - die Stadt war 1703/04 besetzt - direkt die kriegerischen Auseinandersetzungen während des Spanischen Erbfolgekrieges erlebte, beobachtete in den verschiedenen Lagern Soldaten bei ihren Tätigkeiten. Rugendas‘ späterer Biograph Johann Caspar Füssli berichtet dazu, dass er "den Vortheil" hatte, "das, was bisher bey ihm bloss idealisch war, nun mit den Augen zu sehen."  Das Blatt illustriert eindrucksvoll, dass es nämlich Voraussetzung dessen ist, was Füssli als "das Idealische" beschrieben hat, das "von dem wahren Sichtbaren der Natur Stuffen-weis zur Idee" wurde.  Das "wahre Sichtbare der Natur" offenbart sich in solchen Studien, die Rugendas zur Vorbereitung seiner Gemälde dienten: "Er verfertigte eine grosse Anzahl regelmässiger Zeichnungen, nach wirklichen Beyspielen, und diese brachte er oft in seinen Gemählden an", schreibt dazu Füssli.  Das Blatt gehört zu einer ganzen Folge von solchen "regelmäßigen Zeichnungen" mit Darstellungen von Soldaten, die sich hauptsächlich in den Kunstsammlungen der Stadt Augsburg,  aber auch in Nürnberg,  Washington  und Sacramento  befinden. Die Augsburger Zeichnungen sind oben links mit "ax" bezeichnet, was auf einen ehemals gemeinsamen Sammlungszusammenhang schließen lässt - wahrscheinlich der Nachlass des Künstlers. Zu dieser Gruppe gehört auch unser Blatt, das ebenfalls oben links mit "ax" bezeichnet ist. Die Blätter dienten Rugendas gleichsam als Ideenvorrat für seine Schlachtenszenen und Schilderungen des Soldatenlebens; er verwendete sie für ausgearbeitete Zeichnungen, für Drucke und für Gemälde. Für zahlreiche dieser Studien konnte die Verbindung zu Gemälden und Drucken hergestellt werden - für das angebotene Blatt steht dieser Nachweis allerdings noch aus. Die Regelmäßigkeit, in der die Soldaten auf dem Blatt angeordnet sind, lässt auch an eine druckgraphische Umsetzung denken, die bereits Rugendas offensichtlich plante, doch erst sein Urenkel Johann Lorenz Rugendas d. J. zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Angriff nahm: In zwei Folgen - Etude des Attidudes et Postures de l'Homme und Zerschiedene Vorstellungen oder Actionen stellte Rugendas insgesamt elf Skizzenblätter seines Urgroßvaters in Radierungen vor. (Text: Peter Prange)

Sachgebiete: Barock, Handzeichnungen, Kunstgeschichte, Militaria, Mode

2200,- EUR
Differenzbesteuert

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Gustav Seelos (1831 Bozen - 1911 Innsbruck-Wilten), Bau der Brennerbahnlinie in der Eisackschlucht, 1864, Aquarell

Nüchtern berechnender Ingenieur und zugleich für das Wahre, Schöne, Gute in der Malerei empfindsam? Was sich zunächst nach zwei Gegenpolen anhört, beruht teils auf übereinstimmenden Gesetzen und Grundlagen. So ist doch schon das Phänomen der Perspektive festen physikalischen Gegebenheiten unterworfen und beschäftigte seit Urzeiten Künstler, die ihre Umwelt räumlich abbilden wollten.  Der Maler Gustav Seelos scheint ebenso talentiert gewesen zu sein, das Schöne mit dem zu Berechnenden zu verbinden. Nach Abschluss der schulischen Ausbildung in seiner Geburtsstadt Bozen belegte er 1849 in München einen Mathematikkurs und ging schließlich an das k. k. Polytechnische Institut in Wien, das nach den Revolutionsjahren 1848/49 einer strengen militärischen Leitung unterlag. Der Malkunst widmete sich Seelos vermutlich erstmals während einer Italienreise, die er 1853 mit seinen Brüdern sowie den Malern Josef Selleny und Jan (Johann) Nowopacký unternahm.  Seinen Verdienst fand Gustav Seelos, der jüngste im Bunde, nicht wie seine Brüder Gottfried (1829-1900) und Ignaz (1827-1902) in der Malerei sondern zunächst im technischen Bereich. Als Oberingenieur bei der k. k. Südlichen Staatsbahn beaufsichtigte er den Streckenbau der Eisenbahn durch seine Heimat Südtirol. Die wichtige Nord-Süd-Verbindung der Brennerbahn erhielt ab 1864 den entscheidenen Streckenabschnitt zwischen Innsbruck und Bozen, mit dem die schon vorhandenen Gleise im Süden bis Verona geführt werden sollten. Gustav Seelos datierte unser Landschaftsaquarell auf 1864 und zeigt also den Beginn der schwierigen Arbeiten in der Schlucht des Eisacktals. Am Ufer des klaren Gebirgsflusses sind etliche Arbeiter auf der Straße zu sehen. Während man an mancher Stelle Müßiggang vermutet, wird auf den zweiten Blick deutlich, dass hier schwere Arbeit geleistet wird. An der mächtig aufragenden Felswand ist erst ein kleines, vom Maler dunkel gefärbtes Teilstück zu sehen, wo einer der ersten Tunnel der Bahnlinie entstehen soll. Alle Hände haben mit Brechen und Abtransport des schweren Porphyrgesteins zu tun. Doch wirkt die Szene des Oberingenieurs Seelos tatsächlich wie ein sanftes Stimmungsbild eines warmen Sommertages. Wohl zeigt der Beamte im Dienst der Bahngesellschaft hier den Fleiß der Arbeiter und wohl liegt seinem Bild der dokumentarische Charakter des technischen Beobachters inne, wonach den Auftraggebern vielleicht überhaupt der Sinn stand: Die genaue Verortung ist durch die technische Anlage des Sägewerks mit Staudamm und die genau skizzierte Felskontur gewährleistet, der Baufortschritt ist durch Angabe der Streckenführung und des Tunneleinbruchs genau zu erkennen. Und doch hat das Aquarell den romantischen Charme eines Landschaftsbildes, das durch die rastende Magd in Tracht ebenso besticht wie die pittoresken Formationen des Gebirges. So mag man in dem Künstler, der ein technisches und ein ästhetisches Auge zugleich besaß, also den idealen Maler für diese Szene gefunden haben. Man erlaubt sich ein Schmunzeln, wenn man zuletzt erfährt, dass Gustav Seelos‘ Tätigkeit bei der Südbahngesellschaft tatsächlich auch die Mitwirkung an Alben mit Ansichten der Streckenführung und Darstellungen des Bahnbetriebes umfasste, die anlässlich feierlicher Veranstaltungen wie etwa dem Abschluss einer Bauphase ausgegeben wurden. (Text: Benedikt Ockenfels)

Sachgebiete: Aquarelle, Kunstgeschichte, Landeskunde, Malerei, Verkehrswesen

4800,- EUR
Differenzbesteuert

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Joseph Selleny (1824 Wien - 1875 ebd.), Der Eisenhammer im Mühlental zu Amalfi, 1856, Aquarell

Joseph Selleny, dieser aus Wien stammende Abenteurer in Sachen Kunst - er umrundete als Mitglied einer transatlantischen Expedition zwischen 1857 bis 1859 mit der Fregatte Novara die Erde und hielt die Eindrücke dieser Reise in damals noch unbekannte Welten in zahlreichen Aquarellen und Skizzen fest - dieser unermüdliche Zeichner hatte zuvor das Land besucht, in dem die Zitronen blühen. Nach seinem Studium an der Wiener Akademie bei Franz Steinfeld und Thomas Ender ermöglichte ihm der Rompreis der Akademie, den er 1847 erhalten hatte, 1854 endlich eine Studienreise nach Rom und Neapel, die ihn auch nach Amalfi führte. Dort ist es Carl Blechen gewesen, dessen 1829 entstandene, pittoreske Ansichten des Mühlentals bis heute unsere Vorstellung von diesem Ort prägen.  Auch der Berliner Architekt Karl Friedrich Schinkel hatte es 1824 bereits eindrücklich beschrieben: "Von der Kirche gingen wir wieder auf den Platz herunter u verfolgten die Hauptstraße, welche gegen die Schlucht hinaufführt. Diese nimt bald den sonderbarsten Character an; sie schließt sich man geht durch Bögen und Gewölbe über denen Wege von einer Seite des Tales zur gegenüberliegenden führen, dann steigt man durch Treppen weiter. An den Seiten treten oft Felsen heraus, darinnen sieht man mehre grün bewachsene Hölen in welchen grosse Wassertröge ausgehauen sind und klares Gebirgswasser stürzt dahinein, an welchen die Weiber der Stadt immer zahlreich waschen. Mühlenwerke und dazugehörige Wasserleitungen alles wie in der Schweiz mit dem üppigsten Kraut bewachsen hängen unter dem Felsen der sich höhlenartig wölbt oder drängen sich in die Winkel hinein. Der Weg steigt stufenartig neben mit Mauern eingefaßten Flußbetten an, in denen oft Wasserfälle schon rauschen. Die Flußbetten sind oft mit breit gezogenen Weinlauben bedeckt u allerlei schöne Sitze und Gärtchen daneben angebracht; so geht es fort so daß man nicht zu sich kommt vor der Menge mahlerischer Punkte. Am letzten Winkel scheint das Thal mit einem grossen viele Stockwerke hohen Fabrikgebäude geschlossen zu seyn worinn Papir gemacht wird, aber es wendet sich u führt zu sehr mahlerischen Eisenhämmern, die wir wegen der Kürze der Zeit nicht mehr erreichen konnten."  Selleny indes zeichnete, was Schinkel verwehrt blieb zu sehen: Eine erste Ansicht des bereits 1803 stillgelegten Eisenhammers entstand am 13. Mai 1854,  bevor Selleny im Oktober 1856 noch einmal nach Amalfi zurückkehrte, als unser Aquarell entstand. Es zeigt den Blick in das enge Tal mit den von Büschen und Bäumen gesäumten Ufern eines Bachs, über den sich eine Brücke spannt; dahinter türmt sich das Gebirge allseitig auf, die verlassene Fabrik gleichsam umschließend - Sellenys Aquarell blieb zwar unvollendet, doch illustriert es in seiner sprühenden Farbigkeit, die noch den Einfluss seines Lehrers Ender erkennen lässt,  anschaulich die Eindrücke, die Schinkel geschildert hat. (Text: Peter Prange)

Sachgebiete: Aquarelle, Italien, Kunstgeschichte, Landeskunde, Technik

6500,- EUR
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H. W. Fichter Kunsthandel

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Mail: info@fichterart.de • Web: https://www.fichterart.de